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„Die Fenster passen zum Gottesdienst"
Außer den Kindern muss jeder Neugierige den Kopf einziehen, um den Turm der Dungelbecker Kirche zu erklimmen. Der Eingang zu dem Gemäuer aus dem 12. Jahrhundert befindet sich hinter der Orgel. Um ihn zu erreichen, gilt es zunächst, das Instrument seitlich zu durchqueren. Der Aufstieg war Attraktion beim Pfingstfest zum 950-jährigen Bestehen des Ortes. Außerdem kam hoher Besuch: Landesbischöfin Margot Käßmann gestaltete mit Pastor Stefan Leonhardt den Gottesdienst.
„Ich werde häufig zu Jubiläen eingeladen. Das kann ein Dorfgeburtstag sein, das Jubiläum einer Kirchenweihe oder eines Taufsteins“, sagte die Geistliche der PAZ. Dass sie Dungelbeck besuchte, wussten viele zu würdigen: Bevor Käßmann das PAZ-Interview gab, musste sie mit Autogrammen dienen.
Die Zusage für den Besuch in Dungelbeck hatte sie bereits im März 2002 gegeben. „Ich richte mich meist nach der Höhe der Jubiläen. Das höchste bekommt den Zuschlag“, sagte Käßmann. Von sechs Einladungen muss sie meist fünf absagen – wegen der vielen Anfragen. Obwohl die neuen Fenster in der Dungelbecker Kirche für Diskussionsstoff im Ort gesorgt hatten, der Landesbischöfin gefielen sie: „Die Fenster passen zum Gottesdienst.“
Die Suspendierung des katholischen Pfarrers Bernhard Kroll nach einem ökumenischen Abendmahl hält Käßmann für ein Trauerspiel: „Viele Katholiken wünschen sich ein gemeinsames Abendmahl und vielerorts wird es sogar praktiziert.“ Das bestätigte Leonhardt. Bei seiner Ordination habe er einen Anglikanischen und einen römisch-katholischen Geistlichen geladen. Alle hätten gemeinsam das Abendmahl gefeiert.
Bei ihrem Besuch hörte Käßmann auch die Sorgen um die Zukunft der Dungelbecker Pfarrstelle. Sie überlegt zurzeit, wie Pfarrstellen in ländlichen Regionen erhalten werden können. „Wir müssen neue Wege finden, etwa über Sponsoring oder Stiftungen die Pfarrstellen finanzieren.“ Zwar müsse die Kirche wirtschaftlich denken, Käßmann will aber verhindern, dass immer mehr geistliches Personal abgebaut wird.
Interessant fanden die Dungelbecker die Erkundung ihres Kirchturms. Das Gebäude ist meist verschlossen. Die Glocken läuten automatisch. Das mechanische Uhrwerk, das noch in dem Raum direkt hinter der Orgel steht, ist längst nicht mehr in Betrieb. Über eine steile Treppe geht es in den Glockenturm. Zwei mächtige Stahlkolosse hängen dort. Beide stammen aus dem Jahr 1950 und sind aus Peiner Stahl gegossen, sagt Leonhardt während der Führungen. Die dritte Bronze-Glocke ist aus dem Jahr 1748. Die Inschrift erinnert an ein Vorgängermodell aus dem Jahr 1475, das aber verschollen ist.
Thorsten Pifan, Peine-Dungelbeck
10.06.2003
Originallink PAZ