„Mutter, ich möchte sehr gern zu Hause sein“
Broschüre über Feldpostbriefe Dungelbecker Bürger liegt vor /
Private Dokumente von Familienangehörigen berücksichtigt
Peine-Dungelbeck (el). Die Feldpostbriefe von Dungelbecker
Bürgern sind jetzt in einer Broschüre erschienen. Es handelt sich um
den Abdruck der Briefe von Soldaten und Familienangehörigen aus der
„Dungelbecker Kriegschronik“. Diese konnten wegen ihres Umfanges
im ersten Band der Quelleneditionen des Stadtarchivs „... bis wir
den Sieg errungen haben“ nur teilweise berücksichtigt und als
schwierige, historische Quelle wissenschaftlich beleuchtet werden
(PAZ berichtete). In einer Auflage von 150 Exemplaren ist jetzt der
Sonderdruck zum Stückpreis von 5 Euro bei Ilse Horstmann erhältlich.
Die Heimatpflegerin hat die vom damaligen Schulleiter Georg Bösche
abgeschriebenen Feldpostbriefe, Lebensläufe, Todesbenachrichtigungen
und Grabreden, die Bestandteil der von ihm im Auftrag der NSDAP
erstellten Dungelbecker Kriegschronik sind, abgeschrieben. „Ich
habe von betroffenen Familienangehörigen zusätzliche Unterlagen
erhalten. Dazu gehört ein umfangreicher Briefwechsel von drei
Dungelbecker Soldaten“, sagte die für die Gesamtherstellung der
Broschüre verantwortliche Ilse Horstmann. Beileidsschreiben der
NSDAP, die Grabrede von Pastor Mirow auf einen nach knapp 140
Feindflügen abgeschossenen Flieger sowie weitere private
Originalakten sind in der Broschüre berücksichtigt und mit einem
Sternchen gezeichnet. „Die der Zensur unterliegenden
Soldatenbriefe schildern in unterschiedlicher Weise die
Sinnlosigkeit des Krieges und die damit verbunden Nöten der
Einzelnen. Eine ganze Generation von jungen Menschen – die
Gefallenen Dungelbecks waren in der Regel etwas über 20 Jahre alt –
wurde zu willigen Werkzeugen einer grausamen, menschenverachtenden
Führung“, heißt es im Vorwort der Broschüre. In den Dokumenten
spiegele sich auch Verachtung und Überheblichkeit gegenüber anderen
Völkern wider. Häufig ist die NSDAP-Sprachregelung bestimmend –-
etwa bei Todesbenachrichtigungen: Die Soldaten „mussten für Führer,
Volk und Größe des Deutschen Reiches sterben, weil Deutschland leben
muss“. Wenig einfühlsam gegenüber den Hinterbliebenen liest sich
teilweise die Darstellung der Todesumstände in den offiziellen
Benachrichtigungen: „Kugel mitten in den Kopf, Granatvolltreffer,
mehrere Bauchschüsse und wegen kritischer Feindlage konnte der
Nachlass des Gefallenen nicht mehr geborgen werden“. Der
Frontbrief vom 24. Dezember 1944 eines 19-jährigen Dungelbeckers hat
Horstmann „zutiefst erschüttert“. „Mutter, ich möchte sehr gern zu
Hause sein. Wenn ich 20 Monate nicht zu Hause war, kann ich Urlaub
bekommen“, heißt es da. Am 7. Januar 1945 fiel er im Kampf um
Budapest. Das Deutsche Frauenwerk der NSDAP „gedachte der Mutter,
die dem Vaterland das größte Opfer brachte“. „Der Dungelbecker
Ortsrat will mit der Herausgabe der „Feldpostbriefe“ die
Sinnlosigkeit des Krieges und die Verblendung der Menschen vor Augen
führen“, sagte Ortsbürgermeister Bernd-Detlef Mau. Der Erlös der
Broschüre kommt dem Heimatverein zugute. Ilse Horstmann hat als
„bleibende Erinnerung“ an die gefallenen Dungelbecker Bürger auf
jegliches Honorar
verzichtet. |