„Wut und Trauer“ empfunden beim Lesen der Feldpostbriefe
Anfang April gibt das Stadtarchiv eine Quellen-Editionsreihe
heraus, startet mit der „Kriegschronik“ und Ilse Horstmann
veröffentlicht Schreiben 1939-1945
Peine-Dungelbeck (el). Gleich zwei Mal tritt Dungelbeck
Anfang April ins Rampenlicht. Dann startet das Stadtarchiv mit der
Dungelbecker „Kriegschronik“ seine neue Quellen-Editionsreihe.
Gleichzeitig erscheint die Broschüre „Feldpostbriefe von
Dungelbecker Bürgern 1939 bis 1945“. Darin dokumentiert Ilse
Horstmann den in der Editionsreihe unberücksichtigten Teil der
„Kriegschronik“ sowie Privatunterlagen von
Familienangehörigen. Zufällig kam im Herbst 2003 die
Kriegschronik ans Tageslicht, die der damalige Hauptlehrer
Dungelbecks, Georg Bösche, erstellt hat. Jeder Ort musste solche
Chronik nach den genauen Richtlinien der NSDAP in Erwartung des
„Endsieges“ anlegen (PAZ berichtete). Aber der Aussagewert der
Niederschriften als parteiamtliche und zentral kontrollierte
Sammlung der Nazis ist begrenzt. Deshalb geht der Historiker Jens
Binner den Aufzeichnungen über Kriegsereignisse in Dungelbeck
wissenschaftlich und kritisch auf den Grund. Ilse Horstman hat
neben den Abschriften der Lebensläufe und Feldpostbriefen von den
Soldaten aus Dungelbeck – damals von Bösche zusammengetragen –
weiteres Material von betroffenen Privatleuten erhalten und
eingearbeitet: beispielsweise amtliche Todes-Benachrichtigungen,
kirchliche Beerdigungsreden und eine Parteirede bei einer
offiziellen Trauerfeier. Horstmann hat alle Briefe von
Dungelbecker Soldaten an Eltern und Ehefrauen innerhalb von knapp
zwei Jahren per Computer erfasst. „Mit Hilfe von Reinhold Kühne habe
ich die teilweise in Sütterlin abgefassten Feldpostbriefe ins
Lateinische übertragen“, sagte die ehemalige Sekretärin bei VW. Sie
hat die Übertragungsarbeit in der dunklen Jahreszeit erledigt. Das
sei ihr doppelt aufs Gemüt gegangen, sagte Horstmann. Aber das hätte
nichts geändert an ihrer Wut und ihrer Trauer, die sie empfand beim
Lesen der Briefe, denen sie mit der Veröffentlichung in der 130
Seiten starken Broschüre nachträglich ein „Gesicht geben“ wolle. Sie
habe oft geweint beim Versuch, sich ein Bild zu machen von der
Persönlichkeit vor allem junger Soldaten, die in den letzten
Kriegswochen gefallen sind. „Deutschland müsse leben, auch wenn wir
sterben“, lautete der Trost in einer Benachrichtigung vom Tod eines
Dungelbecker Soldaten.
|