„Alles geht vorüber, auf einmal ist Papa da“
Feldpostbriefe von Dungelbecker Soldaten spiegeln Grauen und
Sehnsucht des Frontalltages
Peine-Dungelbeck (el). Sie sind Momentaufnahmen vom Grauen
des Krieges, vermitteln dennoch ein anschauliches Bild von der
schwerer werdenden Last des Kriegsalltags an der Front – und auch in
der Heimat. Einen Grundtenor glaubt Chronistin Ilse Horstmann bei
den Feldpostbriefen, die von Dungelbecker Soldaten in der Zeit 1939
bis 1945 geschrieben wurden, auszumachen: Sie waren überzeugt, für
ein „gutes Ziel zu kämpfen“, hofften gleichzeitig, dass „bald alles
vorbei“ sei. Die Beschreibung des Einsatzes an der Front, dieser
tägliche Kampf ums eigene Überleben mit all seinen psychologischen
und körperlichen Beschädigungen, dürfte nach Einschätzung Horstmanns
bewusst zurückhaltend gewesen sein. Offensichtlich wurden Eltern und
Ehefrauen nicht über das Ausmaß des Leidens und Tötens informiert,
um sie nicht unnötig in Sorgen zu stürzen. Doch
menschenverachtend ist der letzte Satz einer offiziellen
Todesbenachrichtigung vom Sommer 1944 an die Eltern: „Infolge
starken Feinddruckes und der anschließenden Absatzbewegung war es
leider nicht möglich, ihren Sohn zu bestatten.“ „Die Russen sind
durchgebrochen. Von 20 Kameraden sind 12 ausgefallen“, heißt es da.
Oder: „Wir haben eine vom Gegner eroberte wichtige Anhöhe wieder
genommen, verteidigen diese seit vier Tagen. Fingerdick klebt der
Dreck auf der Haut. Einzelheiten später“. Und ein Soldat fragte die
Eltern , ob seine „kleines Mädchen“ (die Freundin) nach Dungelbeck
kommen darf, weil er nicht nach Berlin wolle, wo sie wohnt. Im
November 1943 schreibt ihm das „kleine Mädchen“ von den grauenhaften
Angriffen auf Berlin, kein Licht, kein Gas, kein Wasser, und ein
Weihnachtspäckchen könne sie nicht schicken, weil die Post keins
annehme. Ein Dungelbecker „merkte nichts von seiner zweijährigen
Soldatenzeit“. „Wenn ich mich nicht ranhalte, kriege ich keine
Frau“, sorgt er sich. Aufschlussreich ist der Briefwechsel
zwischen einem Soldaten und seiner Ehefrau: „Von zwei Schweinen muss
ich eins abgeben, von 62 Zentnern Kartoffeln zehn“, schreibt sie;
fügt jedoch ermutigend an: Der „kleine Sohn singe, es geht alles
vorüber, auf einmal ist Papa da“. Letzterer bedankt sich für
„Dungelbecker Sülze und Rübensaft“, weil er sonst nichts zum
„Aufschmieren“ habe. Ein Soldat bittet die Eltern, wenn er zum
Urlaub kommt, müsse der „Kasten in Ordnung sein – Radio biete die
einzige Abwechslung: Musik, Musik, Musik“. Im März 1945 notiert
ein 17-jähriger Dungelbecker: „Wir marschieren von Magdeburg nach
Brandenburg, nur nachts. Das Essen ist nicht gut. Ich habe kein
Gewehr bekommen, nur eine Panzerfaust“. Ende März wird er
vermisst. Auffallend: Bei den Todes-Benachrichtigung an die
Eltern wird der Vater angesprochen, nicht die Frau. Und auf einer
Gedenkfeier für die Gefallenen beschwört die Partei Ideologie,
Durchhaltewillen und Siegeszuversicht – alles für „Großdeutschland“,
das am 8. Mai 1945 bedingungslos
kapituliert. |