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Kriegstagebücher Dungelbeck


Ausgabe: PAZ  Datum: 03.02.2005

Die Heimatpflegerin Ilse Horstmann hat die Feldpostbriefe von Soldaten aus Dungelbeck sowie Unterlagen von betroffenen Familien in einer rund 130 Seiten dicken Broschüre dokumentiert, die Anfang April erscheint. Das Material stammt aus der Dungelbecker „Kriegschronik“.

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Ausgabe: PAZ  Datum: 03.02.2005

„Alles geht vorüber, auf einmal ist Papa da“

Feldpostbriefe von Dungelbecker Soldaten spiegeln Grauen und Sehnsucht des Frontalltages

Peine-Dungelbeck (el). Sie sind Momentaufnahmen vom Grauen des Krieges, vermitteln dennoch ein anschauliches Bild von der schwerer werdenden Last des Kriegsalltags an der Front – und auch in der Heimat. Einen Grundtenor glaubt Chronistin Ilse Horstmann bei den Feldpostbriefen, die von Dungelbecker Soldaten in der Zeit 1939 bis 1945 geschrieben wurden, auszumachen: Sie waren überzeugt, für ein „gutes Ziel zu kämpfen“, hofften gleichzeitig, dass „bald alles vorbei“ sei.
Die Beschreibung des Einsatzes an der Front, dieser tägliche Kampf ums eigene Überleben mit all seinen psychologischen und körperlichen Beschädigungen, dürfte nach Einschätzung Horstmanns bewusst zurückhaltend gewesen sein. Offensichtlich wurden Eltern und Ehefrauen nicht über das Ausmaß des Leidens und Tötens informiert, um sie nicht unnötig in Sorgen zu stürzen.
Doch menschenverachtend ist der letzte Satz einer offiziellen Todesbenachrichtigung vom Sommer 1944 an die Eltern: „Infolge starken Feinddruckes und der anschließenden Absatzbewegung war es leider nicht möglich, ihren Sohn zu bestatten.“ „Die Russen sind durchgebrochen. Von 20 Kameraden sind 12 ausgefallen“, heißt es da. Oder: „Wir haben eine vom Gegner eroberte wichtige Anhöhe wieder genommen, verteidigen diese seit vier Tagen. Fingerdick klebt der Dreck auf der Haut. Einzelheiten später“. Und ein Soldat fragte die Eltern , ob seine „kleines Mädchen“ (die Freundin) nach Dungelbeck kommen darf, weil er nicht nach Berlin wolle, wo sie wohnt. Im November 1943 schreibt ihm das „kleine Mädchen“ von den grauenhaften Angriffen auf Berlin, kein Licht, kein Gas, kein Wasser, und ein Weihnachtspäckchen könne sie nicht schicken, weil die Post keins annehme. Ein Dungelbecker „merkte nichts von seiner zweijährigen Soldatenzeit“. „Wenn ich mich nicht ranhalte, kriege ich keine Frau“, sorgt er sich.
Aufschlussreich ist der Briefwechsel zwischen einem Soldaten und seiner Ehefrau: „Von zwei Schweinen muss ich eins abgeben, von 62 Zentnern Kartoffeln zehn“, schreibt sie; fügt jedoch ermutigend an: Der „kleine Sohn singe, es geht alles vorüber, auf einmal ist Papa da“. Letzterer bedankt sich für „Dungelbecker Sülze und Rübensaft“, weil er sonst nichts zum „Aufschmieren“ habe. Ein Soldat bittet die Eltern, wenn er zum Urlaub kommt, müsse der „Kasten in Ordnung sein – Radio biete die einzige Abwechslung: Musik, Musik, Musik“.
Im März 1945 notiert ein 17-jähriger Dungelbecker: „Wir marschieren von Magdeburg nach Brandenburg, nur nachts. Das Essen ist nicht gut. Ich habe kein Gewehr bekommen, nur eine Panzerfaust“. Ende März wird er vermisst.
Auffallend: Bei den Todes-Benachrichtigung an die Eltern wird der Vater angesprochen, nicht die Frau. Und auf einer Gedenkfeier für die Gefallenen beschwört die Partei Ideologie, Durchhaltewillen und Siegeszuversicht – alles für „Großdeutschland“, das am 8. Mai 1945 bedingungslos kapituliert.